Zahnprobleme beim Pferd: Tierärztin erklärt, was zu tun ist!

Das Pferd als Vegetarier und Pflanzenfresser hat sich über Jahrhunderte an seine Ernährung angepasst - und das gilt auch für das Pferdegebiss! Mit breiten Backenzähnen, die eine große Kaufläche aufweisen, ist der Vierbeiner ideal ausgerüstet, um stundenlang auf seinem Futter herum zu beißen und es langsam und gründlich zu zermahlen. Für diese Leistung bedarf es einer speziellen Anatomie und eines Mechanismus, der diese Anforderungen meistern kann. Damit es im Pferdealltag nicht zu Zahnschmerzen oder Problemen kommt, sollten die Besonderheiten der Pferdezähne bekannt sein und dem Pferd regelmäßig auf den Zahn gefühlt werden.

 

Zahnwechsel beim Pferd: Vom Milchgebiss zum Vollgebiss

Bei der Geburt haben die meisten Fohlen bereits 16 Milchzähne, davon 4 Schneidezähne und 12 Backenzähne. Im Alter von 6 Monaten ist das Gebiss auf 24 Milchzähne angewachsen. Zwischen dem 5. und 6. Lebensjahr findet der vollständige Zahnwechsel statt, bei dem das Pferdegebiss auf 36 bis 44 bleibende Zähne anwächst. Die genaue Anzahl variiert je nach Ausprägung der Hengstzähne und dem Vorhandensein von Wolfszähnen, die bei manchen Pferden gar nicht vorhanden sind. Dieser Übergang ist eine entscheidende Phase, in der regelmäßige zahnärztliche Kontrollen besonders wichtig sind, um mögliche Probleme frühzeitig zu erkennen.

 

Anatomie des Pferdekiefers: Warum Pferdezähne lebenslang wachsen und sich Kanten bilden

In freier Wildbahn beschäftigt sich das Pferd bis zu 18 Stunden am Tag mit der Futteraufnahme, wodurch die Zähne kontinuierlich abgerieben werden. Um diesen Abrieb auszugleichen, wachsen die Pferdezähne an ihrer Krone lebenslang. Der Kauapparat ist ideal an das  Gras fressen angepasst: die Schneidezähne "schneiden" das Gras ab und die Backenzähne mahlen es klein, so dass es perfekt verwertet und verdaut werden kann. Unterstützt wird die feine Zermahlung des Futters durch die raue, unregelmäßige Oberfläche. Eine weitere Besonderheit ist die Anatomie des Pferdekiefers: die oberen Backenzähne sind beim Pferd ca. 50% breiter als die unteren (auch Anisognathie genannt), wodurch die Kauflächen von Natur aus nicht gleichmäßig abgerieben werden können. Es entstehen oben an der Außen- und unten an der Innenfläche Kanten, da hier die Zähne beim Kauen nicht aufeinander treffen.

 

Warum Stallhaltung regelmäßige Zahnkorrekturen erfordert

Werden die Pferde hauptsächlich im Stall gehalten und mit relativ weichem Heu und Kraftfutter gefüttert, verstärken sich die Kanten und nutzen sich nicht mehr auf natürliche Weise ab. Die scharfen Kanten treten bei 90% aller gehaltenen Pferde auf und können zu Schleimhautverletzungen und Schmerzen führen. Um Probleme für das Pferd zu vermeiden, müssen sie regelmäßig durch den Tierarzt abgeschliffen werden. Liegen keine anatomischen Besonderheiten vor, so ist es ratsam einmal im Jahr eine Zahnkorrektur beim Pferd durchführen zu lassen.

 

Frühzeitige Zahnpflege: So schützt Du Dein Pferd vor Zahnschmerzen und Spätfolgen

Häufig wird die Zahnpflege beim Pferd jedoch vernachlässigt, was fatale Folgen habe kann. Ein Pferd kann nämlich genau wie wir Menschen unter Zahnschmerzen leiden, Löcher in den Zähnen haben und mit entzündetem Zahnfleisch kämpfen. Wird dadurch das Fressverhalten beeinflusst, kann es zu vermehrten Koliken und Abmagerung kommen. Zudem werden bei Entzündungen unter Umständen Eiterpartikel  geschluckt, was Infektionen der inneren Organe verursachen kann.

Schon in ganz jungem Alter, als Fohlen, sollte das Gebiss auf Gebissanomalien hin untersucht werden. Wichtig ist hierbei der normale Durchbruch aller 24 Backenzähne. Neben der Vermeidung von Spätfolgen lernt das Pferd vom Fohlenalter an, sich an die Untersuchung der Zähne zu gewöhnen, was es später einfacher macht ihm die richtige Zahnpflege zukommen zu lassen. Im Alter von zwei bis vier Jahren kommen die bleibenden Zähne. Hier muss vom Tierarzt überprüft werden, ob die bleibenden Zähne rechtzeitig und korrekt durchbrechen. Im Wege stehende Milchzähne müssen unter Umständen entfernt werden.

Ab dem fünften Lebensjahr sollte das Pferd über ein komplettes bleibendes Gebiss verfügen, was jetzt regelmäßig begutachten werden sollte, denn die Zähne müssen ein Leben lang ausreichen! Pferde, bei denen regelmäßige Zahnpflege betrieben wird, behalten ihre Zähne bis zu fünf Jahre länger, als Pferde, bei denen sie vernachlässigt wird. Zur Zahnpflege gehört das Entfernen von Haken und Kanten, sowie die Kontrolle ob Löcher oder andere Krankheitszeichen vorliegen.

 

Krankheitsanzeichen bei Pferdezähnen

Pferdezähne sind anfällig für verschiedene Krankheiten und Anomalien, die das Wohlbefinden und die Gesundheit deines Pferdes beeinträchtigen können. Hier sind einige der häufigsten Anzeichen, auf die du achten solltest:

         •  Gespaltene oder abgebrochene Zähne

         •  Entzündungen der Maulschleimhaut und der Zunge

         •  Zahnfleischentzündung

         •  Probleme beim Durchbrechen der Zähne

         •  Scharfe Kanten und Haken

         •  Gebissanomalien wie z. B. Über- oder Unterbiss

         •  Wolfszähne und eventuell damit verbundene Probleme

 

Zahnpflege bei älteren Pferden: Warum regelmäßige Kontrollen wichtig sind

Ab einem Alter von 15 Jahren haben Pferde häufiger mit Zahnproblemen zu kämpfen, da die natürliche Abnutzung der Zähne bereits weit fortgeschritten ist. Mit zunehmendem Alter verändert sich auch der Winkel des Gebisses, was eine ungleichmäßige Abnutzung der Backenzähne begünstigt. Dies kann zu scharfen Kanten, Haken oder sogar zum Zahnverlust führen. Um diesen Verschlechterungen vorzubeugen und das Wohlbefinden des Pferdes zu erhalten, ist es besonders wichtig, die Zähne älterer Pferde halbjährlich vom Tierarzt kontrollieren zu lassen. Regelmäßige Kontrollen helfen, Probleme frühzeitig zu erkennen und das Fressverhalten sowie die Gesundheit des Pferdes zu sichern.

 

Zahnbehandlung beim Pferd: So läuft das Zähneraspeln ab

Zähneraspeln ist für den Tierarzt eine Routinetätigkeit und kann im Stall durchgeführt werden. Es werden verschiedene Zahnraspeln, eventuell auch motorisierte benutzt, um scharfe Kanten und Haken zu entfernen, überlange Zähne zu kürzen und die Zähne abzurunden. Um das Maul des Pferdes während der Behandlung offen zu halten und um den Tierarzt vor Verletzungen zu schützen, wird meistens ein Maulgatter benutzt. Dies bereitet dem Pferd keine Schmerzen, allerdings ist es notwendig, ein Beruhigungsmittel zu verabreichen, um unkontrollierte Bewegungen und Panikausbrüche während der Zahnbehandlung zu unterbinden. Wenn die Zahnbehandlung längere Zeit in Anspruch nehmen wird, kann es ratsam sein, mit Ihrem Pferd in eine Klinik zu fahren (Entfernung schwierig gelegener Zähne, fortgeschrittene Entzündungen, großflächige Verletzungen/Zahnfrakturen etc.).

 

Zahnprobleme beim Pferd: Wichtige Symptome erkennen

Zahnerkrankungen beim Pferd äußern sich häufig durch Verhaltensänderungen, die auf Schmerzen oder Unwohlsein im Maul hindeuten. Hier einige der häufigsten Anzeichen, die auf Zahnprobleme hindeuten können

         •  Das Pferd schlägt den Kopf oder schüttelt das Heu vor dem Fressen, um harte Teile zu entfernen und das Kauen zu erleichtern.

         •  Reduzierte Wasseraufnahme, da kaltes Wasser Schmerzen an beschädigten Zähnen verursacht.

         • Das gekaute Futter wird wegen Zahnschmerzen oder Zahnfehlstellungen wieder fallen gelassen (Wickelkauen oder Priemen).

         •  Sehr langsames Fressen oder häufige Pausen beim Fressen.

         •  Kopfschütteln oder Schiefhaltung des Kopfes beim Reiten, was auf Maulschmerzen oder Zahnprobleme hinweist.

         •  Das Pferd weicht das Heu vor dem Fressen ein, um es leichter kauen und schlucken zu können.

         •  Widerwilligkeit beim Reiten, insbesondere beim Annehmen des Zügels, da Kanten oder Haken an den Zähnen Schmerzen verursachen können.

 

Weitere Anzeichen für Zahnprobleme beim Pferd erkennen

Zahnprobleme beim Pferd äußern sich nicht nur durch Schwierigkeiten beim Fressen, sondern auch durch andere körperliche Symptome, die oft übersehen werden. Folgende Anzeichen können auf eine Zahnerkrankung hinweisen

         •  Mundgeruch - wie beim Menschen ist dies ein Hinweis auf eine Zahnerkrankung

         •  Vermehrtes Speicheln - weist auf Zahnschmerzen hin

         •  Bestimmte Arten von Koliken weisen auf eine Zahnerkrankung hin, Insbesondere wenn sie vermehrt auftreten

         •  Nasenausfluss

         •  Wunde Stellen und Entzündungen an Zunge, Lippen oder Zahnfleisch verursacht durch scharfe Kanten und Haken

         •  Umfangsvermehrungen im Gesicht oder am Unterkiefer aufgrund von Schwellungen

         •  Pferd lässt seine Zunge aus dem Maul hängen - damit versucht es, seine Zunge von scharfen Kanten und Haken entfernt zu halten

         •  Pferd verliert an Gewicht, da es nicht richtig fressen kann

 

Fazit: Pferdezahnpflege - Vorbeugung für langfristige Gesundheit

Regelmäßige Kontrollen und die richtige Pflege sind entscheidend dafür, dass die Zähne des Pferdes gesund bleiben und es langfristig keine Schmerzen hat. Pferdezähne sollten mindestens einmal im Jahr von einem Tierarzt untersucht werden, damit scharfe Kanten, Haken oder andere Zahnprobleme frühzeitig erkannt und behandelt werden können. Gleichzeitig ist es wichtig, das Verhalten des Pferdes genau zu beobachten, da subtile Anzeichen wie Kopfschütteln, langsames Fressen oder Gewichtsverlust auf Zahnerkrankungen hinweisen können. Eine frühzeitige Erkennung und Behandlung verhindert nicht nur Schmerzen, sondern trägt auch dazu bei, Koliken und andere Gesundheitsprobleme zu vermeiden.

 © Autorin: Hanna Katrin Stephan