Kolik beim Pferd - richtig vorbeugen statt später behandeln
Kolik – beim Pferd keine Lappalie
Ein verstimmter Magen und Bauchschmerzen - bei uns Zweibeinern kein Problem und oft eine Lappalie. Bauchgrummeln beim Pferd kann jedoch dramatische Auswirkungen haben, denn der Verdauungsapparat des Pferdes kann Missstimmungen nicht gut vertragen. Koliken müssen deshalb rasch erkannt und richtig behandelt werden, um Schlimmeres zu verhindern!
Allgemein wird als Kolik eine Erkrankung des Magens oder Darms bezeichnet bei der das Pferd Schmerzen zeigt, vermehrt schwitzt, unruhig ist, sich wälzt oder nicht mehr gerne aufsteht. Vom Fohlen über Ponys bis zum älteren Vierbeiner kann eine Kolik jedes Pferd treffen und durch ganz unterschiedliche Ursachen ausgelöst werden.
Warum Pferde besonders anfällig für Koliken sind
Die Anfälligkeit für Kolik-Symptome liegt dabei in der besonderen Anatomie des Verdauungstraktes des Pferdes begründet. Der relativ kleine Pferdemagen kann wenig Futter speichern und ist schnell überladen. Erschwerend hinzu kommt die mangelnde Fähigkeit von Pferden sich zu erbrechen, sowie, der sehr lange und frei bewegliche Darm, der nur lose an langen Bändern im Bauchraum fixiert ist. Anatomisch ungünstig ist zusätzlich der große Blinddarm des Pferdes, der als Gärkammer für die Verwertung von Raufutter dient. Sammelt sich in dieser großen Kammer eine große Menge an Gas, so wirkt dieses wie ein Luftballon, der nach oben zieht und um den sich Darmschlingen schmerzhaft drehen und festzurren können.
Die Pferde-Anatomie des Verdauungstraktes bietet also gleich mehrere Schwachstellen, die eine Kolik-Erkrankung begünstigen.
Zur ungünstigen anatomischen Ausgangslage hinzu kommt die unnatürliche Haltung und Fütterung des Pferdes in der modernen Stallhaltung. Das „Steppentier Pferd“ ist in freier Wildbahn an eine permanente Raufutter Aufnahme mit nach unten gestrecktem Hals gewöhnt. Beinahe 20 Stunden grast das Pferd in dieser natürlichen Haltung und bewegt sich dabei permanent fort. In der Standard-Boxenhaltung von heute bekommt das Pferd komprimierte, große Futtermengen dreimal am Tag serviert und kann sich nur eingeschränkt bewegen. Wenn dazu noch eine eingeschränkte Raufütterung kommt (Späne-Haltung, portionierte Heufütterung) ist von der ursprünglichen Steppenhaltung eines Wildpferdes nicht mehr viel übrig. Stress, Unruhe, zu große Kraftfuttermengen oder die Fütterung von Raufutter in hoch hängenden Heunetzen verschlimmern die unnatürliche Haltung zusätzlich – und können Koliken fördern.
Welche Formen von Koliken gibt es beim Pferd?
Kolik ist nicht gleich Kolik - es gibt verschiedene Formen, die sich in Ursache, Verlauf und Schwere deutlich unterscheiden können. Für Pferdebesitzer ist es hilfreich, die wichtigsten Formen zu kennen, um die Symptome besser einordnen und im Notfall schneller reagieren zu können.
Hier ein Überblick über die häufigsten Kolikarten beim Pferd:
1. Spastische Kolik
Krämpfe der Verdauungsorgane Magen und Darm führen zu Schmerzen und zu einer sich verlangsamenden Passage des Futters durch den Magen-Darm Trakt. Der Futterfluss kann unter Umständen komplett zum Erliegen kommen.
2. Blähungen (Meteorismus)
Aufgasungen behindern den sich fortbewegenden Futterfluss in den Verdauungs Gängen und verursachen dadurch Schmerzen. Zusätzlich können sich Darmschlingen durch die aufgesagten Teile verlegen/ einklemmen.
3. Verstopfung (Obstipation)
Zu wenig Trinkwasser, eine verstopfte Tränke, aufquellendes Futter: für Verstopfungen gibt es vielfältige Ursachen. Es kommt zu starken Schmerzen und einer teilweisen oder gänzlichen Unterbrechung der Magen Darm Passage und im Nachgang zur Magenüberladung.
4. Darmverlegung/ Darmverdrehungen / Gekröseverdrehungen
Durch Stress oder anderweitig ausgelöste Hypermotalität (starke Beweglichkeit) des Darms verlegen sich einzelne Teile oder knicken ab. Der natürliche Darmfluss wird dadurch unterbrochen und es kommt zu starken Schmerzen.
5. Magenüberladung / Magenruptur
Durch Darmverlegungen, Verstopfung, Aufgasung oder eine viel zu große Futtermenge (Klassiker: Nachts ausgebrochen und die Futterkammer ausgeräumt) wird der Magen mit Futtermasse überladen. Dies kann bis zur lebensgefährlichen Magenruptur führen, da Pferde sich nicht übergeben können.
6. Darmeinklemmungen, Darmeinschiebung
Anatomische Verlegungen von benachbarten Organen oder den Darmteilen selber führen zur gestörten Darmmotorik bis hin zum Komplettausfall der Futterpassage. Neben starken Schmerzen sind die eingeklemmten Teile gefährdet abzusterben, wenn die Durchblutung stark beeinträchtigt ist. Die schlimmste Form ist neben einer kompletten Einklemmung der sogenannte Darmverschluss (Ileus).
7. Befall mit Parasiten
Ein übermäßiger Wurmbefall kann den Magen und Darm derart beeinträchtigen, dass es bis zu Kolik-Symptomen, Verstopfungen und schwerwiegenden Verdauungsstörungen kommt. Eine ähnliche Symptomatik können Erkrankungen von Leber & Galle, Harn-/Geschlechtsorganen, allgemeine Infekte mit Fieber sowie Wasser-/Futtermangel auslösen.
Koliken sind vielfältig und können von harmlos bis lebensbedrohlich verlaufen. Umso wichtiger ist es, sein Pferd gut zu kennen, auf erste Warnsignale zu achten und im Zweifelsfall tierärztliche Hilfe in Anspruch zu nehmen. Je früher gehandelt wird, desto größer sind die Chancen, schwerwiegende Folgen zu vermeiden.
Erste Hilfe bei Koliken: Schnell und richtig handeln
Zeigt ein Pferd Anzeichen von Unwohlsein - wie Scharren, häufiges Wälzen oder Umdrehen auf den Bauch - ist schnelles Handeln gefragt. Koliken können lebensbedrohlich sein.
Sofortmaßnahmen im Akutfall
Beobachtest du typische Kolik-Symptome, solltest du folgende Schritte einleiten:
• Pferd führen, um die Darmtätigkeit zu unterstützen
• Wärmende Decke auflegen, falls es kühl ist
• Sämtliches Futter entfernen, z. B. Heu, Stroh oder Kraftfutter
• Tierarzt rufen, wenn das Pferd sich ständig hinlegen möchte oder stark unruhig ist
Warnzeichen für einen medizinischen Notfall
Achte auf folgende Symptome – sie deuten auf einen ernsten Verlauf hin:
• Ausgetrocknete, blasse oder weiße Schleimhäute
• Fieber
• Übermäßiges Schwitzen
• Starke, anhaltende Unruhe
Tierärztliche Maßnahmen im Stall
Bei leichten Fällen wie Blähungen oder Krämpfen kann der Tierarzt direkt vor Ort behandeln – etwa durch:
• Krampflösende Medikamente
• Infusionen zur Stabilisierung
• Nasen-Schlund-Sonde, um Gas oder Flüssigkeit abzuführen
• Punktieren von Gasansammlungen, um Druck zu entlasten
Klinik & Operation – wenn nichts mehr hilft
Wenn die Symptome trotz Behandlung schlimmer werden oder keine Besserung eintritt, ist ein Transport in die Pferdeklinik unumgänglich. Dort erfolgt:
• Weiterführende Diagnostik
• Entscheidung über eine Operation, falls nötig
• Die OP-Entscheidung trifft der Tierbesitzer – oft auch unter finanziellen Gesichtspunkten.
Je schneller du bei den ersten Anzeichen einer Kolik handelst, desto besser sind die Chancen für dein Pferd. Ruhe bewahren, beobachten, handeln - und im Zweifelsfall immer den Tierarzt kontaktieren!
Koliken vorbeugen – so bleibt der Pferdemagen gesund
Wie bei allen Krankheiten gilt auch bei Koliken: Vorbeugen ist besser als Behandeln!
Gerade im Bereich der Kolikprophylaxe gibt es viele Möglichkeiten, die Verdauungsgesundheit des Pferdes aktiv zu fördern.
Artgerechte Haltung als Basis
Die wichtigste Grundvoraussetzung zur Kolikvermeidung ist eine artgerechte Haltung:
• Regelmäßige Bewegung, idealerweise durch täglichen Auslauf auf Paddock oder Weide
Ganztägiges Angebot von Raufutter
• Fütterung aus bodennahen Futterraufen anstelle von Heunetzen – so kann das Pferd in natürlicher Fresshaltung mit gestrecktem Hals fressen
Sowohl Raufutter als auch Kraftfutter müssen von einwandfreier Qualität sein – frei von Schimmel, Staub, Milben oder anderen Verunreinigungen.
Fütterung clever gestalten
Beim Fütterungsmanagement gilt:
Kleine Portionen sind gesünder als große Futtermengen auf einmal.
• Idealerweise wird das Pferd 4–5 Mal am Tag mit kleineren Kraftfutterrationen versorgt
• Faserreiche Zusatzfuttermittel wie Heucobs oder Futterkräuter können dem Kraftfutter beigemischt werden – sie verlängern die Fresszeiten und regen die Speichelproduktion an
Futterhygiene & Wasserzugang sicherstellen
• Plötzlicher Futterwechsel oder Futter mit aufquellenden Bestandteilen (z. B. trockenes Mash, Brot, ungequollene Rübenschnitzel) sind dringend zu vermeiden
• Frisches, sauberes Trinkwasser muss jederzeit zur Verfügung stehen
• Eine kaputte oder verschmutzte Tränke kann lebensgefährlich sein
→ Ein Pferd trinkt täglich 50–70 Liter – Wasserqualität und Tränketechnik sollten regelmäßig kontrolliert werden.
Gesundheitsmanagement ernst nehmen
• Regelmäßige Entwurmung bzw. eine gezielte Wurmkontrolle schützt vor parasitenbedingten Koliken
• Zahnkontrolle einmal jährlich ist unerlässlich – schlecht gekautes Futter erhöht das Kolikrisiko erheblich
Stress als Risikofaktor
Ortswechsel, Transport oder Turnierstress können beim Pferd eine Kettenreaktion auslösen:
• Stresshormone vermindern die Durchblutung von Magen und Darm
• Gleichzeitig wird die Darmbewegung (Hypermotilität) übermäßig angeregt – beides kann eine Kolik begünstigen
Tipp:
Bei Reisen oder Veranstaltungen kann die Fütterung von lauwarmem Mash und etwas Öl Magen und Darm entlasten. Hochwertiges Heu sollte stets uneingeschränkt zur Verfügung stehen.
Vorsicht beim Anweiden
Gerade im Frühjahr ist frisches Gras ein häufiger Kolikauslöser.
Der übermäßige Genuss kann die Verdauung überfordern – besonders nach der Winterpause.
Wie richtiges Anweiden funktioniert und warum es so wichtig ist, erfährst du im nächsten Beitrag.
Kolik vorbeugen – Die Kurz-Checkliste
1. Haltung & Bewegung
☐ Täglicher Auslauf auf Paddock oder Weide
☐ Freier Zugang zu Raufutter (z. B. Heuraufe statt Heunetz)
☐ Natürliche Fresshaltung mit gesenktem Kopf ermöglichen
2. Fütterung & Futterqualität
☐ Futter in kleinen Portionen über den Tag verteilen (4–5x täglich)
☐ Faserreiche Zusatzfuttermittel untermischen (z. B. Heucobs)
☐ Kein schimmeliges, staubiges oder ungeeignetes Futter
☐ Plötzliche Futterwechsel vermeiden
3. Wasser & Hygiene
☐ Ständiger Zugang zu frischem, sauberem Wasser
☐ Tränken regelmäßig kontrollieren und reinigen
4. Gesundheitspflege
☐ Regelmäßige Wurmkontrolle / Entwurmung
☐ Jährliche Zahnkontrolle
5. Stress minimieren
☐ Ortswechsel stressfrei gestalten
☐ Vor Transporten lauwarmes Mash & Öl füttern
☐ Viel Ruhe & Routine im Alltag schaffen
Fazit: Achtsamkeit schützt Pferdeleben
Koliken zählen zu den häufigsten und zugleich gefährlichsten Erkrankungen beim Pferd – sie können harmlos verlaufen, aber auch lebensbedrohlich enden. Umso wichtiger ist es, die anatomischen Besonderheiten des Pferdeverdauungssystems zu kennen, erste Warnzeichen ernst zu nehmen und bei Verdacht schnell und richtig zu handeln.
Doch noch besser ist es, es gar nicht erst so weit kommen zu lassen: Mit einer artgerechten Haltung, durchdachtem Fütterungsmanagement, viel Bewegung, guter Futterqualität und konsequenter Gesundheitsvorsorge lässt sich das Kolikrisiko deutlich reduzieren. Auch kleine Maßnahmen im Alltag – wie regelmäßige Zahnkontrollen, ausreichend Wasser oder stressfreie Abläufe – tragen dazu bei, dein Pferd gesund und ausgeglichen zu halten.
Denn: Ein wachsamer Blick, etwas Wissen und viel Pferdeverstand können im Ernstfall Leben retten – und im besten Fall eine Kolik sogar ganz verhindern.
© Autorin: Hanna Katrin Stephan
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