Stallapotheke: Wichtige Utensilien für die Erstversorgung von Pferdeverletzungen

 

Ein unachtsamer Moment, ein hervorstehender Nagel in der Box, steinige Wege auf dem Ausreitweg, ein losgerissenes Pferd in Panik oder eine Rauferei auf der Weide - kleine Verletzungen, Ratscher oder Traumen sind im Pferdealltag schnell passiert. Nicht immer ist bei jedem kleinen Malheur sofort ein Tierarzt notwendig, denn viele kleine medizinische Notfälle können mit der eigenen Stallapotheke selbst versorgt werden - es muss nur gewusst werden wie. Dafür ist auch die richtig gefüllte Stallapotheke essentiell.

Erstversorgung und Abwägung der Notwendigkeit eines Tierarztes

 

Für die korrekte Erstversorgung am Pferd ist es wichtig, ernste Notfälle von „medizinischen Lappalien“ zu unterscheiden. Gesundheitliche Gefahren wie großflächige oder stark blutende Verletzungen, Kolik, Kreuzverschlag, Schlundverstopfung, hochgradige Lahmheiten oder Atemnot erfordern augenblickliche, tierärztliche Versorgung. Kleinere Verletzungen, geringgradige Lahmheiten, leichte Entzündungen oder Schwellungen können hingegen wunderbar zuhause allein verarztet werden. Im Gegensatz zu Mensch oder Hund sind die Erste Hilfe Möglichkeiten am Pferd jedoch deutlich davon zu unterscheiden, denn die großen Vierbeiner lassen sich natürlich nicht in eine stabile Seitenlage bringen oder können schnell fixiert werden. Zudem besteht durch ihren angeborenen Fluchtinstinkt immer eine gewisse Gefahr, dass sie bei Schmerzen panisch reagieren und die Situation dadurch noch verschlimmern.

Für alle Erstversorgungen gilt deswegen sich zunächst eine zuverlässige Hilfsperson zu suchen, welche das Pferd gut fixieren und festhalten kann. Anschließend muss der „Schaden“ richtig untersucht werden: Wie groß, tief, schwerwiegend ist die Verletzung? Muss ein Tierarzt gerufen werden? Ist alles Notwendige zur Versorgung in der Stallapotheke?

Handelt es sich um eine sehr tiefe Wunde oder eine Verletzung in Gelenknähe, sollte unbedingt ein Tierarzt gerufen werden. Gerade gelenknahe Schnitte oder Traumen können die Gelenkkapsel in Mitleidenschaft ziehen. Ist diese geöffnet, können Keime ins Gelenk dringen, was zu schweren Komplikationen, Entzündungen und hochgradigen Lahmheiten führen kann. Sehr tiefe oder stark blutende Wunden, die nicht gelenknah sind, dürfen bis zum Eintreffen des Tierarztes maximal mit klarem Wasser gespült werden. Auf Salben und Sprays muss verzichtet werden, damit der Tierarzt einen freien Blick auf die gesamte Wunde bekommt.

Kleine Wunden beim Pferd richtig behandeln

 

Oberflächliche Schnitte, kleinere Traumen oder Verletzungen können allein versorgt werden. Zunächst sollte die Wunde dafür mit sauberem Wasser ausgespült werden, um mögliche Fremdkörper oder Verunreinigungen zu entfernen. Anschließend muss die Wunde mit einem jodhaltigen Waschgel vorsichtig gewaschen werden. Je nach Körperregion bietet sich bei oberflächliche Verletzungen ein Sprühverband mit einem desinfizierenden Spray (z.B. Aluspray) an. So kommt Luft an die Wunde und sie ist dennoch gegen äußere Verunreinigungen geschützt.

Einschuss beim Pferd erkennen und behandeln

 

Jeder Pferdebesitzer kennt das: Morgens kommt man in den Stall und das Pferd steht mit dick geschwollenem Bein in der Box. Beim Vortraben ist keinerlei Lahmheit zu erkennen und auch das Abtasten zeigt keine Schmerzreaktion. Bei einer solchen Symptomatik liegt meist ein sogenannter Einschuss vor. Dieser entsteht durch eine mikroskopische kleine Verletzung, durch welche Keime eingetreten sind und eine Schwellung provozieren. Lässt sich die kleine Wunde finden, so sollte der Bereich sauber geschoren werden, damit Luft an die Stelle kommt und die Haare die Stelle nicht weiter penetrieren. Anschließend wird das Bein mit Jodseife gewaschen und abgetrocknet. Für den Stall bekommt das Pferd einen Angussverband aus Verbandwatte und Stallbandage, in den man vom oberen Ende vorsichtig desinfizierende Angusslösung (z.B. Rivanol) einfließen lässt. Auf diese Weise wird das Bein dauerhaft gekühlt und die Wunde weiter desinfiziert. Unterstützend können abschwellende Medikamente verabreicht werden. Je schneller die Schwellung zurück geht, desto schonender ist dies für das gesamte betroffene Gewebe. Leichte Bewegung im Schritt hilft, die Schwellung abfließen zu lassen.

Versorgung von Augenverletzungen

 

Gerötete Augen, Ausfluss oder eine deutliche Verletzung: Augenprobleme sind immer kritisch zu betrachten. Bei deutlichen Symptomen oder einer raschen Verschlimmerung ist deswegen immer ein Tierarzt zu konsultieren. Bei beidseitig gereizten Augen können Augentropfen oder Augensalbe (Wichtig: ohne Antibiotika oder Cortisonzusatz) verabreicht werden. Wichtig ist, dass Tropfen der Salbe nur für ein Pferd verwendet werden, um keine Keime zu übertragen. Getropft oder gesalbt werden muss mindestens 5x am Tag, um eine Wirkung zu erreichen. Fliegenmasken halten Zug und Fliegen ab, was unterstützt. Bei Verletzungen am Auge können diese bis zum Eintreffen des Tierarztes mit steriler Kochsalzlösung gespült werden.

Klammer Gang nach dem Schmied: Ursachen und Sofortmaßnahmen

 

Wir kennen es von uns selbst: werden Fingernägel zu kurz geschnitten, entsteht ein unangenehmes Spannungsgefühl. Nicht anders geht es Pferden mit sehr kurz geratenen Hufen. Dies ist jedoch nicht immer ein Grund zur Besorgnis. Fällt das Pferd am Tag nach dem Schmied-Besuch mit einem klammen Gang auf, so sollte es nur leicht bewegt oder geführt werden. Die warme Hufe sollten mit kaltem Wasser gekühlt werden. Bei sehr lieben/ruhigen Pferden kann versucht werden, die Hufe in gefüllte Wassereimer zu stellen - natürlich nur unter Aufsicht. Verschlimmern sich die Symptome oder tritt eine deutliche Lahmheit an nur einem Bein auf, liegt der Verdacht nahe, dass sich der Schmied vernagelt hat. In diesem Fall muss das Eisen abgenommen und ein Hufverband angelegt werden. Das Tier sollte zudem antibiotisch durch einen Tierarzt versorgt werden.

Plötzlich auftretender Juckreiz bei Pferden

 

Den Schimmel vor dem Turnier mit einem extra Shampoo für weißes Fell gewaschen und auf einmal geht es los, das große Gejucke. Kontaktallergien oder plötzlicher Juckreiz können ganz unterschiedliche Ursachen habe. Unabhängig vom Auslöser bringt eine Dusche mit klarem Wasser sofortige Erleichterung. Durch eine intensive Spülung mit Wasser kann eventuell sogar der Auslöser direkt beseitigt werden. Hält der Juckreiz an, können Shampoos mit leichtem Cortison-Gehalt oder eine Cortison Spritze vom Tierarzt notwendig werden.

Akuter Ballentritt: Schnelle Behandlung zur Vermeidung von Komplikationen

 

Tritt sich das Pferd beim Reiten oder auf der Koppel selbst in den Ballen, so sieht dies immer höchst dramatisch aus, denn die gute Durchblutung des Hufes sorgt dafür, dass dortige Wunden sofort stark bluten. Hier sollte zunächst mit kaltem Wasser gewaschen und gekühlt werden. Durch die Kälte ziehen sich die Gefäße zusammen und die Blutstillung wird unterstützt. Anschließend sollte die Wunde desinfiziert und getrocknet werden. Eine zinkhaltige Salbe sorgt für eine gute, flexible Abdeckung der Wunde, hält Verschmutzungen fern und die Wunde trocken. Kommt es dennoch zu einem dicken Bein, muss dem Tier ein Angussverband angelegt werden. Bei Komplikationen mit eitrigem Verlauf oder hochgradigen Schwellungen muss ein Tierarzt hinzugezogen werden.

Die Normalwerte des gesunden Pferdes

 

Vitalzeichen Pferd Fohlen Messmethode
Körpertemperatur 37-38,2 °C 38-38,7 °C Mit normalem, digitalem Thermometer im After messen. Thermometer vorher mit Vaseline o.ä. einreiben.
Herzfrequenz 28-40 Schläge pro Minute - An der Unterkante der Ganasche fühlen. 15 Sekunden messen und das Ergebnis mit vier multiplizieren.
Atmung 10-16 Atemzüge pro Minute 12-20 Atemzüge pro Minute Flankenbewegung beobachten. 15 Sekunden messen und das Ergebnis mit vier multiplizieren.

 

Das gehört in die Stallapotheke

Grundausstattung:

  •  Fieberthermometer
  •  Silberspray
  •  Zinksalbe
  •  Jodseife
  •  Vaseline
  •  Rivanol-Tabletten
  •  Große und kleine Schwämme
  •  Ersatzhalfter

Und außerdem:

  •  Maulkorb: Unverzichtbar bei Verdacht auf Kolik oder anderen fütterungsbedingten Erkrankungen.
  •  Einmalhandschuhe: Um sich selbst vor Infektionen zu schützen und Wunden nicht weiter zu verunreinigen. Bei offenen Wunden sind Handschuhe Pflicht.
  •  Klemme: Bei starken Blutungen, als stiller Helfer oder zum Fixieren von Hautfalten oder Verbänden - eine Klemme kann im Notfall immer gute Dienste leisten.
  •  Einwegspritzen: In verschiedenen Größen sind die kleinen, sterilen Helfer praktisch, um Flüssigkeiten zu verabreichen oder Wunden zu spülen.
  •  Kühlakku oder CoolPad: Zur Kühlung bei Schwellungen oder zur Blutstillung sind diese kühlenden Helfer ein absolutes Muss für die Stall-Notfallbox.
  •  Pinzette mit abgerundeter Spitze und Lupe: Damit lässt sich jeder Fremdkörper schnell und sicher entfernen.
  •  Zeckenzange: Zecken sollten nie mit der Hand entfernt werden, da der Körper des Parasiten oft gequetscht wird und das Zeckengift direkt in die Blutbahn gelangen kann.

Wunden und Verbandsmaterial

  •  Gummi-Staubbinde: Als Hilfsmittel zum Abbinden.
  •  Saubere Küchentücher: Zum Abdecken größerer Wunden.
  •  Verbandschere: Eine Schere mit stumpfen Enden ist Pflicht, um Verbände sicher anlegen zu können.
  •  Mullkompressen, Mullbinden, elastische Binden: Sterile Mullkompressen zum direkten Auflegen auf die Wunde, um diese steril und sauber zu halten. Außerdem verhindert die Gaze, dass der Verband mit der Wunde verklebt.
  •  Wasserfestes, gewebeverstärktes Klebeband: Zum Abdecken und Abdichten von Verbänden, insbesondere bei Hufverbänden.
  •  Polster- oder Verbandwatte: Kein Verband ohne ausreichende Polsterung. Einschnürende Verbände schaden mehr als sie nützen.
  •  Selbstklebende elastische Fixierbinden: Zur Fixierung von Verbänden als oberste Schicht. Diese Binden sind nicht nur praktisch, sondern auch notwendig.

Medikamente , Lösungen und Homöopathie für den Notfall

  •  Homöopathische Rescue Tropfen (z.B. Valeriana): Bei Notfällen sind Zwei- und Vierbeiner meist sehr aufgeregt. Um das Tier zu beruhigen, hilft Homöopathie aus der Notfallapotheke auf sanfte Weise.
  •  Physiologische Kochsalzlösung: Die perfekte und saubere Flüssigkeit zum sterilen Reinigen von Wunden und zur Spülung der Augen (hier bitte nie Kamille verwenden!).
Wasserstoffperoxidlösung 3%ig: Zur flüssigen Wund-Desinfektion wirkt sie perfekt, ohne zu brennen. Achtung, dass nichts in die Augen kommt.
  •  Alkohol und Jod: Zum Reinigen kleiner Wunden oder Schrammen ideal.
  •  Wund- und Heilsalbe: Kleine Schrammen oder Wunden werden so perfekt versorgt. Vorher desinfizieren!
  •  Homöopathische Augentropfen: Bei gereizten Augen können sie schnelle Linderung bringen. Bei eitrigen oder stark tränenden Augen muss jedoch unbedingt ein Tierarzt aufgesucht werden.
  •  Elektrolyt-Pulver: Zum Auflösen in Wasser, hilft bei Durchfallerkrankungen und ist auch gut bei großer Hitze oder nach einem langen Marsch, wenn der Vierbeiner ermattet wirkt.

© Autorin: Hanna Katrin Stephan