Pferde und Giftpflanzen: Wie kleine Dosen zur großen Gefahr werden
„Alle Dinge sind Gift, und nichts ist ohne Gift; allein die Dosis machts, dass ein Ding kein Gift sei.“ (Paracelsus)
Was der berühmte Alchemist Paracelsus schon vor 500 Jahren wusste, ist auch heute noch allgemeines (Medizin) Gesetz: Die Menge macht das Gift aus. So können einzelne Pflanzen bereits in kleinsten Dosen Vergiftungssymptome beim Pferd auslösen, während andere Gewächse in großen Mengen scheinbar vertragen werden, bis es zur Vergiftung kommt. Um die Weide für den Vierbeiner sicher zu machen und auch auf dem Hof giftiger Deko aus dem Weg zu gehen, sollten die wichtigsten Giftpflanze für Pferde bei seinem Halter präsent sein. Denn so schön die Sommerblüten aussehen, desto gefährlich können sie sein! Und wer sein Tier nicht schützt, verstößt in Deutschland sogar gegen das Gesetz.
Giftpflanzengefahr: Warum der Schutz von Pferden heute wichtiger ist denn je
Im natürlichen Instinkt der Pferde ist ursprünglich ein Schutzmechanismus verankert, welcher sie vor der Aufnahme giftiger Gewächse schützt. Mit Beginn der intensiven Stallhaltung und dem Wandel vom Nutz- zum Luxustier hat das Pferd diesen natürlichen Instinkt teilweise oder ganz verloren. Somit muss in der Haltung darauf geachtet werden, dass kein giftiges Gewächs in Pferdeerreichbarkeit liegt. Dies ist sogar im Tierschutzgesetz verankert. Somit macht sich jeder, der ein Pferd nicht vollwertig ernährt und nicht umfassend vor Giftpflanzen schützt, strafbar.
Der Schutz vor giftigen Pflanzen gilt für Weiden und Paddocks samt der angrenzenden Bereiche am Zaun (alles in Fressreichweite), den Stall und das Boxenfenster (Außenfassade), die Reitplatz- und Hofdekoration sowie die Anbinde- und Waschplätze.
Giftpflanzen, Heu und Pestizide richtig erkennen und vermeiden
Je nach Pflanzenart kann das gesamte Gewächs oder nur Teile (Stängel, Blüten, Blätter) davon Giftstoffe enthalten. Besonders gefährlich sind Giftpflanzen, welche ihre Giftstoffe auch nach Trocknung noch enthalten. Diese sind vor allem bei der Heuernte eine große Gefahr, da unbemerkt ins Futter gelangen können. Während sie im frischen Zustand meist durch ihren bitteren Geschmack von Pferden gemieden werden, werden sie im Trockenzustand mit dem Heu zusammen aufgenommen und es kommt zur Vergiftung. Flächen für die Pferdeheuernte müssen aus diesem Grund sehr genau angesät und inspiziert werden!
Verlockend für Pferde sind zudem die immergrünen Ziersträucher, die gerade im Frühling die Pferde nahezu magisch anziehen, denn schließlich musste den ganzen langen Winter auf frisches, leckeres Grün verzichtet werden. Hier ist somit doppelte Aufmerksamkeit geboten, denn nur allzu schnell wird ein unbeachteter Moment für einen kleinen Snack an der Buchsbaumhecke ausgenutzt. Ein Imbiss, der fatal enden kann! Auch unterwegs bei einem Ausritt kann unerlaubt schnell was Giftiges genascht werden, weswegen auch hier immer die Augen offen gehaltenwerde sollten. Bei Flächen der intensiven Landwirtschaft kommt noch die zusätzliche Gefahr durch Pestizide hinzu. Durch sie können harmlose Pflanzen zur gefährliche Giftquelle werden. Mit Pestiziden behandelte Flächen erkennt man an einem unnatürlich stechenden Geruch, vergilbten Pflanzen und eventuellen Granulat-Rückständen. Vorsichtshalber sollte an bewirtschafteten Flächen deswegen kein Pferd zum Grasen angehalten werden.
Vergiftungssymptome bei Pferden erkennen: Anzeichen frühzeitig deuten und handeln
Vergiftungen bei Pferden sind ernst zu nehmen, da Pferde als Fluchttiere Unwohlsein oft erst spät zeigen. Ein rechtzeitiges Erkennen ist entscheidend, um schnell reagieren und das Leben des Tieres retten zu können. Im Folgenden werden die wichtigsten Vergiftungsanzeichen, deren Verlauf und mögliche chronische Vergiftungserscheinungen beschrieben. Achte auf diese Symptome und hole im Notfall sofort tierärztliche Hilfe.
1. Erste Anzeichen einer Vergiftung:
In der Anfangsphase zeigt das Pferd oft subtile Symptome, die leicht übersehen werden können. Deshalb ist es wichtig, wachsam zu sein:
• Helle Schleimhäute: deutet auf eine Veränderung des Blutkreislaufs oder eine Schockreaktion hin.
• Veränderung des Fress- und Trinkverhaltens: Plötzliches Desinteresse am Fressen oder vermehrte Wasseraufnahme können Warnsignale sein.
• Unruhiges Umherlaufen: Dies kann ein Zeichen von Unruhe und Unwohlsein sein, da das Pferd versucht, den Schmerzen oder der Übelkeit zu entkommen.
• Leichte Koliksymptome: Leichte Koliksymptome, wie gelegentliches Scharren oder Blick auf den Bauch, können auf eine beginnende Vergiftung hindeuten.
2. Fortschreitende Vergiftungssymptome:
Wird eine Vergiftung nicht erkannt oder nicht behandelt, können sich die Symptome verschlimmern. Dies sind wichtige Anzeichen, auf die im weiteren Verlauf geachtet werden sollte:
• Fieber und Schweißausbrüche: Dies zeigt an, dass das Immunsystem des Pferdes reagiert und versucht, die Giftstoffe zu bekämpfen.
• Nesselsucht: Hautreaktionen wie Juckreiz und Quaddeln sind oft ein Hinweis auf die Aufnahme von Giftstoffen.
• Durchfall und Blähungen: Der Verdauungstrakt des Pferdes wird durch Giftstoffe stark gereizt, was zu diesen Symptomen führen kann.
• Apathie: Wenn das Pferd sein Interesse verliert und apathisch wirkt, hat es möglicherweise starke Schmerzen oder fühlt sich sehr unwohl.
• Unnatürliches Schäumen des Mauls: Dies kann auf eine Reizung des Magen-Darm-Trakts oder auf eine Störung des Nervensystem
3. Schwere Vergiftungserscheinungen:
Im fortgeschrittenen Stadium können die Symptome dramatisch werden und das Leben des Pferdes akut bedrohen:
• Sehstörungen: Bei schweren Vergiftungen können auch die Augen betroffen sein und das Pferd zeigt Verwirrtheit oder Orientierungslosigkeit.
• Krämpfe und Muskelzittern: Die Aufnahme von Toxinen kann das zentrale Nervensystem beeinträchtigen und zu unkontrollierbaren Muskelkontraktionen führen.
• Lähmungen: Bei starker Beeinträchtigung des Nervensystems können Lähmungen auftreten, die das Pferd bewegungsunfähig machen.
• Atmungsstörungen: In schweren Fällen kann das Pferd Atemprobleme entwickeln, die lebensbedrohlich sind und sofortige tierärztliche Hilfe erfordern.
• Plötzlicher Tod: Wenn eine hohe Dosis eines starken Giftes aufgenommen wurde, kann der Tod des Tieres sehr plötzlich eintreten, ohne dass Vorzeichen sichtbar waren.
4. Chronische Vergiftung:
Neben akuten Vergiftungen können auch schleichende chronische Vergiftungen auftreten. Diese entstehen durch die regelmäßige Aufnahme kleiner Mengen giftiger Stoffe, die sich im Körper anreichern. Giftige Pflanzen, die immer wieder in kleinen Mengen aufgenommen werden, oder kontaminierte Nahrungsmittel führen langfristig zu gesundheitlichen Problemen.
• Leberbelastung: Die Leber ist das Organ, das Giftstoffe abbaut. Wird sie dauerhaft überlastet, kann dies zu Leberversagen führen.
• Symptome einer Leberinsuffizienz: Dazu gehören eine verminderte Fresslust, Abmagerung und eine allgemein verminderte körperliche Fitness. Auch stumpfes Fell und Abgeschlagenheit sind typische Anzeichen. Um eine Leberinsuffizienz zu bestätigen und die Vergiftung zu behandeln, ist eine Blutuntersuchung beim Tierarzt notwendig, um den Leberstatus zu überprüfen und gezielte Maßnahmen einzuleiten.
Vergiftungen bei Pferden können schnell lebensbedrohlich werden, insbesondere wenn die Aufnahme des Giftes unbemerkt bleibt. Daher ist es unerlässlich, die Tiere regelmäßig zu beobachten und auch bei kleinsten Verhaltensänderungen wachsam zu sein. Zum Schutz der Pferde sollten die Weiden, das Heu und die Umgebung sorgfältig kontrolliert und giftige Pflanzen entfernt werden. Im Verdachtsfall ist es wichtig, sofort den Tierarzt aufzusuchen, damit das Pferd schnellstmöglich behandelt werden kann.
So schützt man sein Pferd vor Giftpflanzen und sorgt für gesunde Weiden
Zu kleine Weiden, zu intensives Begrasen ohne ausreichende Ruhezeiten, fehlende Weidehygiene: eine Pferdekoppel ist nicht einfach ein Stück eingezäuntes Grün. Schon vor dem Einzäunen sollte über eine pferdegerechte Saat mit einer vielfältigen Anzahl an Gräsern und Kräutern gedacht werden. Um der Weide genug Zeit zum Nachwachsen zu geben, sollte genügend Ausweichfläche zur Verfügung stehen. Regelmäßiges Abäppeln kommt nicht nur der Vegetation, sondern auch der Wurmprophylaxe zu Gute. Spezielle Giftgefahren auf der Weide können nicht nur von dort wachsenden, gefährlichen Pflanzen, Kräutern oder Büschen ausgehen. Abgeladener Gartenabfall, herunter gefallener Heckenschnitt, angrenzende Bäume – potente Giftstoffe können auf vielfältige Weise auf die Koppel gelangen, weswegen alle Quellen sicher ausgeschaltet sein müssen. Anders als Rinder oder Schafe sind Pferde keine Wiederkäuer. Dies bedeutet, dass aufgenommenes Gras direkt vom Magen in den Blinddarm zur Vergärung wandert. Gefressene Giftpflanzen werden somit direkt weiterverarbeitet und nicht wie bei der Kuh durch drei Vormägen neutralisiert. Dies macht Pferde besonders anfällig für Toxine und ungenießbare Grünteile.
Notfallplan bei Vergiftungen: Sofortmaßnahmen, die das Leben Ihres Pferdes retten können
Wenn ein Pferd Anzeichen einer Vergiftung zeigt, ist schnelles und richtiges Handeln entscheidend. Pferdebesitzer sollten vorbereitet sein und wissen, welche Maßnahmen zu ergreifen sind, um dem Tier möglichst effektiv zu helfen, bevor der Tierarzt eintrifft. Hier ein Überblick über die wichtigsten Schritte:
• Tierarzt informieren
Kontaktiere sofort einen Tierarzt und beschreibe die beobachteten Symptome so genau wie möglich. Je früher der Tierarzt informiert wird, desto schneller kann das Pferd behandelt werden.
• Giftstoffe vollständig entfernen und zur Analyse aufbewahren
Entferne alle möglichen Giftstoffe oder Pflanzenreste aus der Umgebung des Pferdes, damit es nicht mehr damit in Kontakt kommt. Bewahre diese für den Tierarzt auf, damit er eine genaue Analyse durchführen und die richtige Behandlung einleiten kann.
• Frisches Trinkwasser anbieten
Biete dem Pferd frisches Wasser zum Trinken an. Dies kann dazu beitragen, Giftstoffe im Körper zu verdünnen und den Flüssigkeitshaushalt aufrechtzuerhalten.
• Pferd im Schritt führen
Führe das Pferd langsam im Schritt, um seinen Kreislauf zu stabilisieren und es ruhig zu halten. Achte darauf, dass es sich dabei nicht überanstrengt.
• Kontrolle von Puls und Atmung
Kontrolliere regelmäßig Puls und Atmung des Pferdes. Notiere Auffälligkeiten wie erhöhte oder unregelmäßige Atmung, damit der Tierarzt diese Informationen für seine Diagnose nutzen kann.
• Fieber messen
Die Körpertemperatur des Pferdes messen. Fieber kann ein Zeichen für eine Entzündungsreaktion oder einen Schockzustand sein, der auf eine Vergiftung hinweist.
• Dokumentiere den Verlauf
Notiere alle Beobachtungen, wie den Zeitpunkt des Auftretens der Symptome, Verhaltensänderungen des Pferdes und bereits ergriffene Maßnahmen. Diese Informationen helfen dem Tierarzt, die Situation besser einschätzen zu können.
Im Ernstfall kommt es auf jede Minute an. Eine schnelle Reaktion und die konsequente Umsetzung der Erste-Hilfe-Maßnahmen können das Leben des Pferdes retten. Halte immer einen Notfallplan bereit und kenne die nächsten Schritte, um im Falle einer Vergiftung schnell und richtig zu handeln.
Giftstoffe im Stall und auf der Weide
Behandeltes Holz (Zäune, Boxen, Späne)
Viele Pferde befriedigen ihr Knabberbedürfnis an Stall- und Weideeinrichtung. Hier muss darauf geachtet werden, dass kein giftiger Holzschutz aufgebracht worden ist oder es sich per se um eine giftige Holzsorte (zB Akazienholz) handelt.
Schimmelpilze
Ein nicht gut getrocknetes Heu, überlagerte Silage oder verdorbenes Kraftfutter: Auf Schimmelpilze reagieren Pferde ganz besonders empfindlich. Eine einwandfreie Futterhygiene ist somit essentiell, um Vergiftungen zu vermeiden.
Giftpflanzen
Generell sind drei Stoffe in Pflanzen potentiell giftig fürs Pferd. Je nach Gehalt und Konzentrierung ist die Pflanze mehr oder weniger giftig fürs Pferd
• Gerbstoffe
Sie gehören zur Gruppe der sogenannten „sekundären Pflanzenstoffe“ du sorgen für stabile Zellwände der Gewächse. In geringen Dosen wirken sie antientzündlich. Bei hoher Menge jedoch stören sie die Weiterverarbeitung von Eiweißen im Stoffwechsel, was im schlimmsten Fall zum Tod führen kann.
• Glycoside
Ein primärer Pflanzenstoff, der aus einer Zuckerkomponente und einer weiteren Stoffgruppe (nicht definiert) besteht. Zu ihnen gehört u.a. die hoch giftige Blausäure .
• Alkaloide
Stickstoffhaltige, sekundärer Pflanzenstoffe sind die Alkaloide. Sie sind Bestandteil von Blüten, Blättern, Früchten oder auch Wurzeln. Der Pflanze dienen sie primär als Stickstoffspeicher, jedoch auch zum Schutz vor Fraß. Bekannte Vertreter dieser Gruppe sind u.a Cocain, Nicotin oder Mutterkorn.
Tipp: Bei Vergiftungsverdacht Weide- oder Futterprobe testen lassen
Wer unspezifische Symptome bei seinem Pferd feststellt und das Futter im Verdacht hat, kann eine Weide- oder Futterprobe an das Institut für Tierernährung z.B. der Tiermedizinischen Hochschule Hannover einsenden. Hier wird nachkontrolliert, ob giftige Substanzen oder Pflanzenteile im Pferdefutter enthalten sind. Auch auf Mikroorganismen oder Schimmelpilze kann getestet werden.
Bildquelle: Stefan Ahler / pixelio.de (Vielen Dank)
© Autorin: Hanna Katrin Stephan
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