Frühlingsgras kann gefährlich werden – so schützt du dein Pferd
Frühling auf der Weide - Freude für Pferd und Reiter
Sonne, Wärme, Blumen und grüne Wiesen - es gibt kaum etwas Schöneres, als nach dem kalten, dunklen Winter in den farbenfrohen Frühling zu starten. Und was den Reiter freut, freut das Pferd doppelt! Endlich darf es aus der Halle raus, und auch kulinarisch hält der Frühling ein Highlight bereit: frisches, grünes Gras.
Doch so verlockend das saftige Frühlingsgrün auch ist - Geduld ist gefragt, denn ohne richtiges Weiden kann es schnell zu gesundheitlichen Problemen wie Koliken oder Hufrehe kommen.
Warum Frühlingsgras für Pferde problematisch sein kann
Frisches Gras ist für Pferde wie Schokolade für Kinder - verlockend und schnell zu viel. Die jungen Halme sind vollgepackt mit Proteinen, Nährstoffen und Fruktanen (Fruchtzucker), die für den Magen-Darm-Trakt eines Pferdes, das den Winter über nur Heu und Kraftfutter bekommen hat, eine Herausforderung darstellen.
Im Gegensatz zum „Wintermenü“ enthält frisches Gras viel Wasser - das führt zu einem großen Futtervolumen im Verdauungstrakt und damit zu intensiver Arbeit für die Mikroorganismen im Dickdarm. Wird die Magen-Darm-Flora nicht langsam an diese Umstellung gewöhnt, kann es zu Fehlgärungen, Graskoliken, Durchfall, Kotwasser oder angelaufenen Beinen kommen.
Gefahr Hufrehe - besonders bei Ponys
Eine weitere gefürchtete Folge von übermäßigem Grasverzehr ist die Hufrehe, für die besonders Ponys anfällig sind. Die Kombination aus Fruktanen, abgestorbenen Mikroben und entstehenden Toxinen kann die Durchblutung des Hufes stören, was zu entzündlichen Prozessen und im schlimmsten Fall zum Ausschuhen führt - ein Zustand, der meist nur durch Einschläfern beendet werden kann.
Besonders kurzes Frühjahrsgras bei kalten Temperaturen und Sonnenschein enthält viel Fruktan.
Deshalb gilt:
• Gras erst ab mindestens 10 cm Länge freigeben
• Keine Nutzung von abgefressenen Koppeln
• Ponys niemals auf kurze Weiden stellen
Hat ein Pferd einmal einen Rehangriff erlebt, bleibt es lebenslang anfällig für Rehwild - hier ist ein besonders vorsichtiges Weidemanagement gefragt.
Fruktane - mehr als man denkt
Interessanterweise enthalten nicht nur nährstoffreiche, sondern auch nährstoffarme Böden oft hohe Mengen an Fruktanen - insbesondere dann, wenn das Gras Stress ausgesetzt ist, z.B. durch Trockenheit, Kälte oder intensive Nutzung. Das bedeutet, dass auch scheinbar „magere“ Weiden ein Risiko für Hufrehe oder Verdauungsprobleme darstellen können.
Für Pferdeweiden wird daher eine mittlere Düngung empfohlen, um ein stabiles, ausgeglichenes Pflanzenwachstum und damit einen gesünderen Fruktangehalt im Gras zu erreichen. Dadurch kann das Risiko von fruktanbedingten Stoffwechselstörungen deutlich reduziert werden.
Sicheres Weiden – Verletzungsrisiken minimieren
Neben ernährungsphysiologischen Risiken birgt das Koppelleben auch Verletzungsgefahr. Daher ist eine einwandfreie, pferdegerechte Einzäunung essenziell:
• Kein Stacheldraht (in Deutschland verboten!)
• Keine herabhängenden Elektrobänder oder kaputten Latten
• Ideal: stabile Holzzäune mit Elektrosicherung oder vollständig elektrische Umzäunung mit Holzpfählen
Die Zaunhöhe und Koppelgröße müssen zur Pferderasse passen – je mehr Platz, desto geringer das Risiko für plötzliche Stopps, Drehungen oder Rangeleien.
Tipp: Pferde vor dem Weidegang bewegen oder reiten, um überschüssige Energie abzubauen.
Herdengestaltung mit Bedacht
Bei Gruppenauslauf ist eine durchdachte und harmonische Herdenzusammenstellung entscheidend für das Wohlbefinden und die Sicherheit aller Pferde. Bewährt haben sich vor allem reine Stuten- oder reine Wallachgruppen, da gemischte Herden häufig zu mehr Konkurrenzverhalten und Unruhe führen können – besonders während der Frühlingszeit, wenn viele Pferde temperamentvoller werden.
Gerade in den ersten Tagen einer neuen Herdenkonstellation sollte man die Gruppe aufmerksam beobachten: Zeigen sich Spannungen, Aggressionen oder Ausgrenzungen, muss rechtzeitig reagiert werden, um Verletzungen oder dauerhafte Stressbelastung zu vermeiden. Eine gut funktionierende Herde trägt maßgeblich zur Ausgeglichenheit, Bewegung und sozialen Stabilität der Tiere bei – und macht den Koppelgang für alle Beteiligten sicherer und entspannter.
Unsere Tipps fürs richtige Angrasen
✓ Koppeln auf Giftpflanzen kontrollieren
✓ In den ersten 3 Tagen: nur 10 Minuten an der Hand grasen lassen, dann langsam steigern
✓ Stundenweiser Koppelgang erst nach 14 Tagen Intervall-Angrasen
✓ Herde beobachten, Störenfriede frühzeitig isolieren
✓ Regelmäßige Zaunkontrolle
✓ Kot und Beine kontrollieren – bei Durchfall oder angelaufenen Beinen Weidezeit reduzieren
✓ Vor dem Weidegang Heu füttern, Kraftfutter aussetzen (zur Vermeidung von pH-Abfall und Überladung)
✓ Ponys & Rehepferde langsamer anweiden, später nur stundenweise auf die Koppel
✓ Fermentierte Ergänzungsfutter (z. B. Mikroorganismen, Fermentgetreide) können die Umstellung erleichtern und die Verdauung unterstützen
✓ Nach kalten Nächten Pferde erst mittags auf die Weide stellen, da morgens der Fruktangehalt im Gras besonders hoch ist
Mehr zum Thema Verdauungsgesundheit beim Pferd?
Frisches Frühlingsgras ist nicht nur ein Risiko für Hufrehe, sondern kann - vor allem bei zu schneller Futterumstellung - auch Koliken begünstigen. Wie man diese ernstzunehmende Gefahr frühzeitig erkennt, im Ernstfall richtig reagiert und vor allem effektiv vorbeugt, erfährst du im Blogbeitrag „Kolik beim Pferd - richtig vorbeugen statt später behandeln“.
Fazit: Mit Achtsamkeit sicher in die Weidesaison
So schön der Frühling für Pferd und Reiter auch ist - das frische Gras birgt gesundheitliche Risiken, die nicht unterschätzt werden dürfen. Ob Kolik, Hufrehe oder Verletzungsgefahr auf der Koppel: Mit einem durchdachten Weidemanagement, langsamem Weidegang und aufmerksamer Beobachtung lassen sich viele Probleme vermeiden. Wer Geduld mitbringt, auf den Fruktangehalt achtet und individuell auf die Bedürfnisse seines Pferdes eingeht, legt den Grundstein für eine gesunde und sorgenfreie Weidesaison. Denn: Vorsicht, Wissen und Routine sind der beste Schutz für das Pferd - und sorgen dafür, dass der Frühling wirklich ein Grund zur Freude bleibt.
© Autorin: Hanna Stephan
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